Zusammenfassung
Die Begutachtung der Kopfverletzten ist schwierig und war bisher ungleichmäßig, weil
es an einheitlichen Richtlinien fehlte. Den „Hirnverletzten” der Versorgungsbestimmungen
der Wehrmacht stehen die „Hirngeschädigten” in den Richtlinien der allgemeinen Versicherungsmedizin
gegenüber. Beide müssen in Zukunft nach einheitlichen Gesichtspunkten begutachtet
werden.
Wir gehen dabei aus von der Tatsache, daß sich die Absonderung einer Gruppe der „Hirnverletzten”
mit einer Sonderbetreuung bewährt hat. Der Gesichtspunkt der Sonderbetreuung sollte
daher zum übergeordneten Ausgangspunkt der Begutachtung werden. Die bisherigen Erfahrungen
sprechen dafür, daß bei allen Patienten mit Hirnwunden die Dauerfolgen derart erheblich
sind, daß sie automatisch in die Gruppe der Hirnverletzten überführt werden müssen.
Bei den Patienten mit „gedeckten” Hirnschädigungen ist zu einem Zeitpunkt, wo die
Verletzungsfolgen „bleibend” geworden sind — d. h. nach einem Jahr — zu entscheiden,
ob die „Allgemeinschädigung” (Versehrtheit der Gesamtperson) oder das Ausmaß der Herdschädigungen
eine Sonderfürsorge wünschenswert erscheinen lassen. Diese Patienten werden dann als
Hirnverletzte anerkannt und in die Sonderfürsorge überwiesen. Es ist anzustreben,
daß in den gesetzlichen Bestimmungen den „Hirnverletzten” eine Mindest-EM von 50%
zuerkannt wird. Sollte das neue Gesetz diesen bisherigen Grundsatz fallen lassen,
so ist zu fordern, daß die Begutachtung der Hirnverletzten nur durch Fachärzte mit
besonderer Erfahrung auf diesem Gebiet vorgenommen wird.
Mitteilung: In Fortsetzung von Besprechungen auf der Tagung Deutscher Neurologen und
Psychiater in Marburg 1948 trafen sich Ärzte, die an den Fragen der Hirnverletzten-Begutachtung
und Betreuung besonders interessiert sind, in Pyrmont und schlossen sich zur: „Arbeitsgemeinschaft
für Hirntraumaforschung innerhalb der in Gründung befindlichen Gesellschaft Deutscher
Neurologen und Psychiater” zusammen. Die Anwesenden hielten es für geboten, im Hinblick
auf die bevorstehende gesetzliche Neuordnung des Sozialversicherungs- und Fürsorgewesens,
den maßgebenden Stellen der Länder die folgenden grundsätzlichen Auffassungen vorzutragen:
1. Die Sonderfürsorge für Hirnverletzte ist wegen der Eigenart der Verletzungsfolgen
aufrechtzuerhalten.
2. Hirnverletzter ist, wer durch (mittelbare oder unmittelbare) äußere Gewalteinwirkung
eine bleibende organische Schädigung des Gehirns erlitten hat.
3. Wer auf andere Weise als durch Verletzung eine bleibende organische Hirnschädigung
erlitten hat, wird dem Hirnverletzten in fürsorgerischer Hinsicht gleichgestellt,
wenn eine sozialmedizinisch entschädigungspflichtige Ursache besteht.
4. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wird nach den Grundsätzen der Versicherungsmedizin
festgesetzt.
5. Hirnverletzte sollen grundsätzlich nur durch Ärzte mit besonderer Erfahrung auf
diesem Gebiet betreut und begutachtet werden. Für diesen Zweck ist die Einrichtung
von Fachkrankenhäusern erforderlich.